Traunstein 2026 – ein Gedankenspiel

18. Dezember 2018 – gepostet auf Facebook.

Traunstein wählt 2020 einen neuen Stadtrat. Er wird die Geschicke der Stadt sechs Jahre lang lenken. Sechs Jahre Gelegenheit Traunstein auch in Zukunft lebenswert zu gestalten. Ein Gedankenspiel und Diskussionsbeitrag, wie Traunstein 2026 aussehen könnte. Inspiriert von vielen guten Ideen, die Traunsteiner Bürger beim letzten grünen Gesprächsabend zum Thema “Was bewegt Traunstein 2019?” geäußert haben.

Bürgerwille umsetzen
Priorität Jugendzentrum

Wir müssen umgehend eine Lösung in Sachen Jugendzentrum finden. Wir können es nicht akzeptieren, dass Traunstein auf unabsehbare Zeit keine geeigneten Räumlichkeiten für unsere Jugend zur Verfügung stellt. Wir können für über €10 Mio. Kulturräume sanieren, während wir für unsere Jugend seit Jahren lediglich eine Notlösung im Rathauskomplex zur Verfügung stellen.

Der Bürgerwille des letzten Bürgerbegehrens muss eingehalten werden und ein Neubau priorisiert werden. Zuletzt ist eine Chance ungenutzt verstrichen: Der Landkreis baut ein fünfstöckiges Wohnheim am Bahnhof. In Zukunft muss ein Platz für unsere Jugendlichen Vorrang haben.

Bezahlbaren Wohnraum schaffen
Natur im Stadtgebiet erhalten

Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum. Dazu muss eine verbindliche Quote für neu umbauten Wohnraum eingeführt werden und eine Grundsteuer C erhoben werden um Baulücken entgegenzuwirken.

In einigen Fällen wird das zur Bebauung von Grünflächen im Stadtbereich führen. Um nicht in einer Betonwüste zu enden, brauchen wir neue Formen der Begrünung. Dächer von öffentlichen Gebäuden könnten begrünt werden. Ähnlich zum Fassadenpreis der Stadt Rosenheim, könnten wir 2021 einen Grünen Fassadenpreis einführen, der jährlich die gelungenste Fassadenbegrünung in Traunstein prämiert – bis 2026 fünf prämierte Fassaden in der Innenstadt.

Parkhaus in Mannheim, 2016, Immanuel Giel [Public domain], from Wikimedia Commons

Einkaufsstadt Traunstein 2.0
Fußgängerzone von Bahnhof bis Stadtplatz

Traunstein braucht eine attraktive Innenstadt, die leicht zu erreichen ist, aber auch zum Verweilen einlädt. Eine barrierefreie Fußgängerzone vom Stadtplatz, über den Maxplatz bis zum Stadtpark, bietet neue Gestaltungsmöglichkeiten – und erlaubt einen barrierefreien Weg vom Bahnhofsgelände bis zu den Geschäften in der Innenstadt. Breite Fahrradwege, mehr Sitzgelegenheiten und mehr Bewirtungsbereiche für Cafés und Gaststätten. Mit dem kommenden Parkhaus am Klosterberg, dem Karl-Theodor-Platz, den Parkplätzen in Marien-, Max- und Bahnhofsstraße und einem Shuttlebusverkehr vom Parkplatz am Festplatz in die Innenstadt (möglicherweise mit geschäftsnahen Bedarfshalten) ist auch die Anfahrt zu den Geschäften nach wie vor komfortabel. Geschäfte könnten sich stärker zur Fußgängerzone hin öffnen, Familien könnten leichter von Geschäft zu Geschäft flanieren.

Innenstadt mit Öffnung der Geschäfte zur Fußgängerzone, am Beispiel Lübeck, 2017

Konkret könnte die Fußgängerzone 2026 so aussehen: Sie beginnt am Bahnhof und kreuzt oberirdisch die Herzog-Friedrich-Straße. Hierzu wird ein breiter Zebrastreifen mit Ampel ähnlich zum Übergang über die Prinzregentenstraße in Rosenheim geschaffen. Sie verläuft weiter auf der Nordseite der Bahnhofstraße. Am Maxplatz endet die Ludwigstraße als Sackgasse, was der Fußgängerzone einen barrierefreien Zugang zum Stadtplatz ermöglicht. Der Verkehr aus Richtung Max- und Marienstraße kann am Maxplatz nur in Richtung Bahnhofstraße abbiegen.

Skizze zur Fußgängerzone vom Bahnhof bis zum Stadtplatz, Kartenmaterial von OpenStreetMap (http://www.openstreetmap.org/)

Der Stadtplatz wiederum wird Fußgängerzone im Bereich des oberen Tors am Heimatmuseum. Der Bereich nördlich der Stadtpfarrkirche und des Stadtplatzes wird verkehrsberuhigte Zone, die nur für Anlieger und nur aus östlicher Richtung befahrbar ist.Ein Fahrradweg beginnt am Bahnhof südlich des Brunnens und verläuft exklusiv durch die Unterführung an der Herzog-Friedrich-Straße. Er ersetzt die Parkplätze auf der Südseite der Bahnhofstraße. Er passiert die Straßen am Stadtpark und endet am Pfarrbüro.

Startups fördern für neue Jobs
Flächenfraß für Industriegebiete stoppen

Der Flächenfraß vor den Toren unserer Stadt muss ein Ende haben. Immer neue Industriegebiete fressen sich in unsere Wälder und Wiesen. Ein wiederkehrendes Argument ist, dass wir ortsansässige Betriebe mit immer günstigeren Baugründen vor unseren Ortschaften zum Bleiben bewegen müssen. Dabei ist das massenhafte Versiegeln von Grünflächen – zumeist mit eingeschossigen Hallen und Parkplätzen – höchstens ähnlich zu dem Natur verachtenden Shopping Mall Boom in den USA der 80er Jahre.

Anstatt unsere Wiesen und Felder im Rekordtempo zu versiegeln, sollten wir uns damit beschäftigen wie wir Traunstein attraktiv für Startups machen können. 2018 war wieder ein Jahr mit Rekordeinschreibungsquoten an bayrischen Hochschulen. Doch wo arbeiten all diese Informatiker, Statistiker, Designer, etc.? 15-18% aller Beschäftigten die in unserer Region wohnen, pendeln für die Arbeit über die Regionsgrenze hinaus – beispielsweise nach München. Viele dieser Menschen wohnen bei uns wegen ihres sozialen Umfelds, der attraktiveren Wohnkosten, und des hohen Freizeitwerts in Sachen Natur und Sport.

Traunstein kann in den kommenden Jahren Anreize schaffen mehr Kleinbetriebe anzusiedeln: Ein Co-Working Space mit kostengünstigen Mieten in zentraler Lage. Ein von der Stadt geförderter Gründertreff für gründungsinteressierte Traunsteiner. Softskill Workshops für die man erfahrene Gründer aus der Region gewinnt. Es gibt auch einige Kleinbetriebe die von Traunsteiner in München geführt werden. Manche dieser Betriebe fürchten bei einem Umzug oder einer Erweiterung nach Traunstein keine Mitarbeiter zu finden. Die Stadt kann hier mit einer Informationskampagne in den Pendlerzügen und regelmäßigen Informationsevents helfen (“Startup Weekend Traunstein”) und eine elektronische Austauschplattform für pendelnde Unternehmer und potentielle Mitarbeiter schaffen.

Verkehrspolitik zukunftssicher machen
für E-Bikes, E-Autos und autonome Shuttles

Traunsteins Verkehrswege entsprechen den Anforderungen der 50er Jahre: Wer will schon mit dem Fahrrad fahren? Parken vor der Ladentür ist das Gebot der Zeit. Während die Stadt wächst und wächst, pressen sich immer noch mehr Autos durch die Innenstadt – Runde um Runde auf der Suche nach einem Parkplatz. Für Fahrradfahrer ist die Fahrt in die Stadt ein Spießrutenlauf – mit Kinderanhänger häufig ein mulmiges Gefühl wenn man beispielsweise von Geißing oder Empfing in die Stadt möchte.

Diese Situation steht im krassen Gegensatz zu einer (auch wegen E-Bikes) steigenden Zahl an Fahrradfahrern und dem anstehenden E-Zeitalter. In Deutschland werden heute rund 10 Prozent aller Wege mit dem Fahrrad erledigt, in Dänemark beträgt Anteil 18 Prozent, in den Niederlanden sogar 27 Prozent. Zudem ist eine auf Autos und Parkplätze ausgerichtete Infrastruktur nicht zukunftsträchtig. Wollen wir überall in der Stadt Ladestationen für E-Autos aufstellen? Welchen Wert haben diese Parkplätze, wenn sich Autos selbständig einen günstigen Parkplatz auf dem Festplatz suchen? Daher müssen wir jetzt die Wende einleiten: Fahrradwege in der Fußgängerzone vom Bahnhof bis zum Stadtplatz, zusätzlich Fahrradwege auf einer umgestalteten Herzog-Friedrich-Straße und den Zubringern Richtung Innenstadt. Der Festplatz erhält ein regelmäßiges Minishuttle Richtung Innenstadt, und wird so zu einem attraktiven Parkplatz. Das Minishuttle fährt heute noch mit Fahrer, mittelfristig autonom.

Manch einer hat seine (berechtigten) Zweifel was die Akzeptanz von autonome Fahrzeuge anbelangt. Fakt ist, 45% der Deutschen können sich jetzt schon vorstellen von einem autonomen Fahrzeug chauffiert zu werden. Dabei sind diese Fahrzeuge noch nicht mal erhältlich. Selbst in pessimistischen Szenarien gehen Experten davon aus, dass ab Mitte der 2030er Jahre PKW autonom auch in Innenstädten fahren können. D.h. autonome Bus Shuttles zwischen Festplatz und Innenstadt, oder generell als Stadtbus, werden bereits im Laufe der nächsten Stadtratsperiode eine konkrete Möglichkeit.

Diese Veränderungen im Stadtverkehr werden kommen. Wir haben heute die Gelegenheit die Weichen so zu stellen, dass sie für Traunstein zum Vorteil werden: eine Innenstadt barrierefrei für Fahrradfahrer und Fußgänger – statt Parkplatzsuchverkehr.

Ein Traunstein, in dem bezahlbarer Wohnraum entsteht und Fassaden für innovative Begrünung prämiert werden. In dem man gefahrlos mit dem Fahrrad von A nach B kommt, und kostenlose Shuttles die Parkplätze mit den Geschäften verbinden. In dem eine barrierefreie Fußgängerzone zum Besuch einlädt und Kleinbetriebe attraktive Gewerbeflächen in der Innenstadt finden. Das ist ein noch lebenswerteres Traunstein.

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